Portal
„Stetig ist nur der Wandel“ ist ein Satz, der auf alle Arbeiten von Anja Verbeek von Loewis zutrifft. Es sind viele verschiedene Medien, in denen sie zuhause ist und zwischen denen sie sich mit Leichtigkeit bewegt: Malerei, Zeichnung, Installation und Performance wechseln sich entweder ab oder greifen gleichzeitig nahtlos ineinander. Verbindendes Element ist immer eine Form von Bewegung.
Unter dem Titel INBILDER mal Anja Verbeek von Loewis seit einem Initialerlebnis im brasilianischen Urwald zeitlose reduzierte Figuren, Nomaden, Jäger, Tänzer, Engel und Ur-Tiere. Dabei ist sie auf der Suche nach Urbildern, zu denen wir einen intuitiven Zugang bekommen können. Mit einem breiten japanischen Tuschepinsel und flüssiger selbst hergestellter Farbe suggerieren die Bilder mit wenigen gezielten Strichen Bewegung, zeigen oft tänzerische, dynamische Posen. Je nach Druck des Pinsels formen sich in den paläolithischen Bilderwelten einzelne Körperglieder, die sich dann in ihrer Gesamtheit scheinbar ohne topografische Begrenzung im Raum bewegen. Sie werden zu Portalen, die in eine andere synchron existierende Welt führen.
Anja Verbeek von Loewis sagt selbst dazu: „Es ist für mich wie ein Ausdruck von einer Erinnerung an einen Menschen, der ein ganz bestimmtes Innenbild, eine Energie umreißt. Dieser Gesamtklang ist von allem Persönlichen befreit, also auch meist von Gesichtern“.
Die Serie der TONDI besteht aus runden, vielschichtigen Gemälden. Auf grundierte Leinwand oder Holzträger arbeitet Anja Verbeek von Loewis Blütenblätter und Pflanzen ein, es folgen Schichten aus Ölfarben und reinem Bienenwachs, in das Sand und Pigmente eingerieben werden – nicht immer in dieser Reihenfolge. Oftmals werden die Fundstücke aus der Natur in einem speziell entwickelten Enkaustik-Verfahren eingeschlossen.
Der Arbeits- und vor allem Trocknungsprozess der einzelnen Schichten ist immer lang. Wie Planeten aus dem All scheinen die TONDI zu schweben, bekommen durch Anreicherung mit Blattgold und Kraterähnlichen Materialerhebungen, meist aus Pigmenten, eine tiefenräumliche Wirkung. Diese scheinbare Wölbung in den Raum sieht man besonders gut an dem kleineren TONDO auf schwarzem Grund links hinten. Wenn Sie sich darauf zubewegen, assoziiert man eine schwebende Kugel, die sich bei näherer Betrachtung als tiefe Scheibe entpuppt. Richtig flächig ist sie dennoch nicht, da auch hier die pastose Oberfläche, der Einsatz von Blattgold und eingeritzten Zeichen eine Tiefenwirkung entfalten. Die bewegte Oberfläche der TONDI lässt dabei an organische Strukturen und archaische Landschaften denken.
Auch in den Oberflächen der CREDO Bilder manifestieren sich energetische Farbräume. Bild- und Malschichten überlagern sich in einer gebündelt dichten Struktur. Wie eine Art urzeitliches Vokabular ritzt Anja Verbeek von Loewis flirrende und tänzelnde Zeichen in die Oberfläche, die sich mit einer spürbaren Leichtigkeit ihren Weg über den Bildträger bahnen. Diese Schriftzeichen durchdringen die Oberfläche manchmal fast bis auf den Malgrund und lassen an einigen Stellen die Leinwandstruktur erkennen.
Kalligraphische Inspiration fand Anja Verbeek von Loewis zu Beginn in indischen, japanischen und arabischen Schriftzeichen; mittlerweile hat sich ein autonomes und eigenständiges Zeichenvokabular entwickelt.
Auch wenn die Bilder immer offen verbleiben und keine Richtung vorgeben, fordern sie den Betrachter zu einer archaischen Lesart heraus. Die Pigmente interagieren mit dem Licht, durch die Bewegung des Betrachters im Raum verändert sich auch hier permanent Farbe und Form.
In der Arbeit „shifting realms“ vernetzt sich eine reduzierte Inbild-Figur mit dem sie umgebenden System aus Farbe, Pigmenten und Tusche. Alles ist mit allem verbunden; dies bezeugt auch rechts im Bild ein Schamane als Vermittler zwischen den Welten.
Anja Verbeek von Loewis erforscht in ihren Bildwelten innere Zusammenhänge, die sie intuitiv in eine atmosphärische Bildstimmung übersetzt. Dabei bewegen sich ihre Bilder in einem Bereich zwischen Innen und Außen – Innenraum, Meditation, Kontemplation sowie Auseinandersetzung mit der Außenwelt. Wir als Betrachter sind dazu aufgefordert, das Dazwischen zu erkennen und uns auf das Sehen selbst einzulassen.
Anna Wondrak
Auszug aus der Einführungsrede zu PORTAL am 12.05.2023